26/5/21
Replik auf:
Nau here we go again…

NOMEN EST OMEN…

Dinge beim Namen zu nennen ist vor Gericht nicht ganz einfach. Im Jurist:innen-Sprech haben Dinge andere Namen als sonst. Die Prozessparteien geben den Sachverhalten Namen, die ihrer jeweiligen Sichtweise entsprechen. In der Berichterstattung über den gestrigen Prozess nutzt Nau.ch dabei konsequent und hartnäckig eine spezifische, problematische Sichtweise: Brians Name wird gleich zu Beginn mit „Carlos“ gleichgesetzt. Danach gibt es nur noch „Carlos“. Konsequent. Hartnäckig.
Die vom Bezirksgericht angeordnete stationäre Massnahme wird ebenso konsequent mit „Therapie“ umschrieben. Brians Anwälte sprechen dagegen bei der gleichen Massnahme von „Folter“. Der Staatsanwalt - immerhin transparent und nicht beschönigend - direkt von „Verwahrung“. Nomen est Omen. Nau.ch konstruiert nun daraus den ersten Satz und zeitweiligen Titel des Artikels:

Brian alias «Carlos» will vor Obergericht erreichen, dass er keine Therapie machen muss.

Damit wird klargestellt, was in den Augen dieses News-Portals vor Obergericht geschieht. „Carlos“ will nicht einmal in die „Therapie“ , ist unbelehrbar, untherapierbar, undankbar. Diese Darstellung ist sowohl eine Verkürzung als auch eine Verzerrung und bedient die genau gleichen medial konstruierten und verbreiteten Deutungsmuster um den „Fall Carlos", die - here we go again – rassistisch sind, das öffentliche Meinungsklima zu Brians Ungunsten beeinflussen und eine faire, menschenwürdige Rechtsprechung erschweren.
Die Berichterstattung von Nau.ch zu diesem Prozess steht ausserdem vollständig unter dem Überthema „Fall Carlos“. Konsequent. Hartnäckig.

Die Dinge richtig benennen….

Abermals muss also klargestellt werden:
Brian ist nicht „Carlos“ und die beiden Bezeichnungen sind nicht synonym zu gebrauchen.
„Therapie" ist in diesem Zusammenhang ein Euphemismus. Besonders wenn man sich vor Augen führt, dass ebendiese „Therapie“ unter Haftbedingungen geschehen soll, die aus Sicht der UNO unter Folterverdacht stehen. Dies wird übrigens im Artikel nicht erwähnt, obwohl mehrere Stunden Plädoyer diesem Folterverdacht gewidmet wurden, was in den Beiträgen von anderen Medienschaffenden wohl Platz gefunden hat.

Zu guter Letzt: Als Textquelle dieses Artikels ist wieder die SDA ohne zusätzliches Autor:innen-Kürzel verzeichnet. Der Zusammenhang zwischen SDA, nau.ch hinsichtlich der Verbreitung von diesen Deutungsmustern wurde im Critical Newsticker bereit reflektiert.